Bahnverwalterei Schönheide

 

- sächsischer Länderbahn-Personenwagen der 2. Klasse -

Personenwagen 970 - 318

 

 

 

 

 

Betriebsnummer : 970-318

 

Baujahr : 1907

Hersteller : Waggon- und Maschinenfabrik Bautzen

 

Gattung : KB 4 Länderbahnbauart

(Nachbauwagen  zur Gattung 711)

 

K. Sächs. Sts. E. B.  : 370 K

Betriebsnummer DRG  : 145

Betriebsnummer DRG 1: 7.0145

Betriebsnummer DRG 2 : 970-318

 

Länge über Puffer : 13580 mm

 

Breite (Wagenkasten) : 2220 mm

Gewicht : 11,4 t

Anzahl der Sitzplätze : 34

 

Kupplung : Trichterkupplung an durchgehender Zugstange

 

Bremse  : Saugluftbremse Bauart Körting (Köbr)

Heizung : Ofenheizung (Ohz) und Dampfheizung (Nuhz)

Beleuchtung : elektrisch 85 V

 

 

Den großfenstrigen Personenwagen der Länderbahnbauart stellten die Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen 1907 mit der Nummer 370 K in Dienst. Er gehört zur ersten Lieferserie von zwölf 2./3. Klasse-Wagen der Gattung 711 dieses Baujahres. Mit den Fahrzeugen wurde eine völlig neue Bauform auf sächischen Schmalspurbahnen eingeführt. Der Wagenrahmen aus genieteten Stahlprofilen wird an den Längsträgern durch ein ebenes Sprengwerk unterstützt und liegt mit einem Drehzapfenabstand von 8100 mm auf 2 zweiachsigen, achsgefederten Drehgestellen auf. Die Längsträger reichen, wie bei den nachfolgenden Gattungen, nur noch bis an das Ende des Wagenkastens, für die offenen Endbühnen des Durchgangswagens wurden schräg angeschuhte Hilfsträger angebaut. Wie zu dieser Zeit üblich erhielten die Wagen als Zug- und Stoßvorrichtung Trichterkupplungen an einer längs durch den Rahmen laufenden, durchgehenden Zugstange. Verbunden werden die Wagen mit einem Zugeisen, daß von einem am Kuppelkopf angeketteten Bolzen im Hals der Kupplung gehalten wird. Es kommt ein langer und ein kurzer Kuppelkopf zur Anwendung. Der lange Kuppelkopf nimmt das Zugeisen in sich auf, um die Pufferfunktion beim Rangieren nicht zu beeinträchtigen.  An den Stirnseiten des Wagen befinden sich bis zur halben Höhe blechverkleidete Endbühnen mit verlängerten Trittbrettern als Aufstiege. Die Sicherung der Ein- und Ausstiege erfolgt über umlegbare Eisenstangen (Scheren). Der Zugang zum Wagenkasten erfolgt über eine Schiebetür in den Stirnseiten. Die Schmalspurwagen dieser Gattung erhielten erstmals einen Abort. Zusammen mit einem Vorraum ist er, abgeteilt durch zwei Scheidewände mit verdeckt laufenden Schiebetüren, zwischen den Fahrgasträumen der 2. und 3. Klasse angeordnet. Der Abort selbst ist über eine Drehtür vom Vorraum aus erreichbar. In jeder Längswand sind entsprechend der Raumaufteilung sechs große und ein schmales Fenster eingelassen. Die Scheiben, der an den oberen Ecken abgerundeten Fenster, stecken in schmalen Messing- oder Aluminiumrahmen, die in einem hölzernen Rahmen etwa 250 mm herablaßbar sind. Zur leichteren Betätigung hängen die Fenster an zwei Seilrollen mit Federmechanismus. Die 23 Sitzplätze der 3. Klasse waren als Holzbänke mit Rückenlehne ausgeführt, die 11 Plätze der 2. Klasse erhielt Plostersitze.  Die  Sitzplätze   sind   quer  zur    Fahrtrichtung.    Der   Wagen  wurde  mit   einer Gasbeleuchtung ausgerüstet. Im Bereich der Sprengwerke sind der Gasfüllstutzen und zwei Gaskessel mit insgesamt 500 Liter Fassungsvermögen untergebracht. Ein Gasregler an der Stirnseite des Wagenkastens ermöglichte die Regelung der Lampen. Alle Wagen der Gattung 711 waren mit Heberleinbremse und einer zusätzlichen Handspindelbremse ausgerüstet. Im Lieferzustand verfügten die Wagen dieser Gattung weiterhin über Ofenheizung, Deckenlüfter und Gepäcknetzen über den Sitzen. Im Rahmen einer Modernisierung erhielt der Wagen 1952 eine Dampfheizung (Niederdruckumlaufheizung) und eine Blechverkleidung an der Außenhaut der Wände. Weiterhin wurden die bisherigen Sitze gegen Flachpolstersitze an Holzrahmen getauscht.  Bis 1960 wurde die Bremsanlage für den Saugluftbetrieb umgebaut. Im Rahmen des 1950 von der DR eingeführten Nummernplanes erhielt der Wagen 1958 seine jetzige Wagennummer und Beschriftungsform. Der Wagen kam auf verschiedenen sächsischen Schmalspurbahnen zum Einsatz, bei seiner Ausmusterung 1969 war er in Grünstädtel beheimatet. Im Frühjahr 1969 erwarb die Arbeitsgemeinschaft 3/28 Crottendorf des Deutschen Modelleisenbahn Verbandes den Wagen als Clubraum und stellte ihn in der Nähe des Crottendorfer Bahnhofes auf. Im Dezember 1992 kaufte der Verein dieses Fahrzeug. Am 09.01.1993 traf er als erster Personenwagen der Museumsbahn in Schönheide ein. Die Ausstattung des Wagens entsprach (bis auf die Außenverschalung aus Blech, den Sitzen und der Saugluftbremse) weitestgehend dem Lieferzustand, daher wurde entschieden, den Wagen in seinem letzten Betriebszustand wieder aufzubauen und nur die elektrische Beleuchtung zu ergänzen, die Gasbeleuchtung wurde nicht betriebsfähig aufgearbeitet. Der desolate Zustand des Wagens erforderte eine komplette Aufarbeitung. Der Wagenkasten mußte bis auf das Dach und die Querwände abgerissen werden, auch die Längsholme des Daches waren nicht mehr verwendbar. Noch 1993 begann die Aufarbeitung des Fahrgestelles, nach einer vollständigen Demontage wurden der Rahmen und die sonstigen Stahlteile sandgestrahlt und mit Rostschutz grundiert. Zum Aufbau des Wagenkastens wurde der Rahmen im Lokschuppen ohne Drehgestelle aufgebockt und ausgerichtet. Bis zur Unterbrechung des Aufbaues zugunsten des 970-621 waren neben dem Rahmen auch die Drehgestelle, die Zugstange mit den Trichterkupplungen und die Schutzbühnen für die Stirnseiten aufgearbeitet und mit der endgültigen Farbgebung versehen. Ende 1996 wurde mit dem Aufbau des Holzbodens auf dem Stahlrahmen begonnen. Unter Verwendung von Teilen der alten Stirn- und Zwischenwände entstand darauf der neue Wagenkasten. Die Fertigstellung des Packwagens 974-320 brachte eine weitere Unterbrechung der Arbeiten mit sich. In der Zwischenzeit wurde die Bremsanlage aufgearbeitet und die Drehgestelle fertiggestellt. Nach der Einbindung des vorhandenen Daches und dem Einbau der Innenverschalung konnte der Wagen auf seine Drehgestelle gesetzt und die Bremsanlage fertig montiert werden. Im Herbst 1998 erhielt der Wagenkasten die Blechverkleidung. Nach dem Neubau der Bühnenbereiche des Daches und der Ausbesserung des alten Daches wurde das Segeltuch aufgezogen und Dachaufbauten wie Gasleitungen, Lüfter sowie Seilrollen und Bügel für eine durchgehende Heberleinleitung ergänzt. An den Endbühnen erfolgte der Anbau der Trittbretter, Fußböden und Scheren. Der Farbgebung des Innenraumes und dem Einbringen des Fußbodenbelages folgte der Einbau der Dampfheizung, des Sitzgestühles und der elektrischen Anlage mit den Messinglampen. Der Innenausbau schloss mit der Montage der Aluminiumfenster, der Türen, der Öfen, der Ofenverkleidungen, der Gaslampen, den Dachlüftern, Gepäcknetze, Emailleschilder und anderer Kleinteile ab. Nach der abschließenden äußeren Farbgebung und Beschriftung ging der im Stil der 60er Jahre originalgetreu aufgebaute Wagen am  01.10.1999 als zweiter, vereinseigener Personenwagen der Museumsbahn wieder in Betrieb.

 

Wie Eingangs schon erwähnt, gehört er zur ersten Lieferserie dieser Gattung und ist dann der älteste betriebsfähige Personenwagen der Länderbauart. Alle Teile der ehemaligen Gasbeleuchtung sind noch im und am Wagen erhalten, auf dem Dach sind noch die Lenkrollen der alten Heberlein- (Seilzug-) Bremse vorhanden.  Im Schönheider Museumszug ist einer der am originalgetreusten erhaltenen Fahrzeuge.

 

Nach 8 Jahren Einsatzzeit stand 2009 wieder eine große Hauptuntersuchnung an. Nach der Aufarbeitung 2008/2009 fand am 29.09.2009 die Abnahme mit Probefahrt durch den zuständigen Wagensachverständigen statt. Zu seinem ersten Einsatz  nach der HU kam der Wagen anläßlich des 12. Bahnhofsfestes & III. WCd-Festivals am 03. und 04.10.2009.

 

 

 

 

 

 

 

970-318 am 11.10.2009 wenige Tage nach Abschluß seiner 2. Hauptuntersuchung auf der Museumsbahn

 

 

zurück